Neulich saß ich (40 J) mit ein paar etwa gleichaltrigen Freundinnen, die ich schon sehr lange kenne, zusammen. Wir alle , die wir zusammensaßen und uns unterhielten, haben Söhne und Töchter, die sich in der Pubertät bzw. der Vorpubertät befinden. Meine Tochter ist nun in dem Alter, wo sich die weibliche Brust zu entwickeln beginnt und wo sich erste Anzeichen der Periode bemerkbar machen. Die Töchter meiner Freundinnen sind etwas jünger. Nun muss ich vorab – damit Ihr die Situation , die ich nun schildere, voll erfassen könnt – erwähnen, dass ich von Natur aus sehr schlank und schmal bin ( egal was ich esse und egal ob ich Sport mache oder nicht: ich habe Kleidergröße 34, gleichermaßen vor wie nach meinen Schwangerschaften) während meine Freundinnen geschätzt Kleidergröße 42/44 und 44/46 tragen. Ich war immer der Meinung, dass jeder Mensch gut uns schön genau so ist, wie er ist, und irgendwie ging ich naiver weise davon aus, dass meine Freundinnen dieses Gedankengut teilen. Ich war eigentlich im Großen und Ganzen zufrieden mit meinem Körperbau, denn die Leichtigkeit und Beweglichkeit ist sehr praktisch – und ich mag es gerne praktisch : T-Shirt, Bustier drunter, Jeans : fertig!)) und ich fand auch stets meine etwas üppigeren Freundinnen in ihren weiblichen Kleidern schön und fraulich. Nun ist es so, dass meine Tochter eindeutig nach mir zu gehen scheint. Sie ist auffallend schmal und schlank , obwohl sie beim Essen gut zulangt. In Sport hat sie oft eine 1 und sie ist flink und grazil unterwegs. Eine mini Brust zeichnet sich ab und sie erinnert mich an mich damals als Mädchen bzw. an mich jetzt und viele Menschen sprechen mich aufgrund dieser Ähnlichkeit an. Meine Tochter und ich haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander und sie sagt stets „ich möchte später so sein und so ausschauen wie du, Mama“. Klar macht mich das glücklich, aber ich sage ihr auch immer, dass - egal ob sie mir im Erwachsenenalter ähnlich ist oder ähnlich sieht – dass sie stets „richtig“ und „gut“ sein wird wie sie eben wird. Jeder entwickelt sich so wie es für ihn/sie vorgesehen ist und das ist auch gut so. Nunja. Und dann diese Frauenrunde , mit den Gesprächen, die mich irgendwie aus der Fassung gebracht haben: Es ging also um unsere Söhne, Töchter, und deren Entwicklung. Meine eine Freundin sprach mich an, wie es denn meiner Tochter nun in der Pubertät so erginge, grade wo es so warm sei, im Schwimmbad, und sich alle quasi nackt sehen, wie sie es denn so wegsteckt , im Vergleich zu den andren Mädchen, dass sie wohl nach mir schlägt …
Schluck, Hust. Ich war baff und dachte, ich hätte mich hoffentlich verhört bzw. ich hätte das Ganze hoffentlich falsch aufgefasst. Ich fragte daher mal nach: „Was bitte ist daran verkehrt nach mir zu schlagen?!“
Naja,.. was heißt schon verkehrt, meinte sie. Verkehrt nicht im eigentlichen Sinne… . Sie meinte, sie wolle drauf hinaus , dass sich bei meiner Tochter „obenrum wohl nicht mehr viel tun wird“-
Ich hakte erneut ein wenig nach. Sie redete weiter. In etwa wie folgt: Nun …. Genetik gebe ja so einiges vor und egal wie die Vorstellungen oder Hoffnungen junger Mädels so wären, man müsse ja auch schauen was realistisch anzunehmen wäre…
Und nun meldete sich meine andere Freundin zu Wort und betonte den Wunsches Ihrer Tochter, mal so richtig richtig große….
JA ICH BIN N I CH T Pamela Anderson. Und das weiß meine Tochter. Und meine Tochter will auch NICHT Pamela Anderson sein. Auch nicht so ähnlich. Sie ist (noch) ein fröhliches glückliches selbstbewusstes Mädchen von 13 Jahren und ich hoffe sie wird noch lange lange fröhlich und glücklich und zufrieden und selbstbewusst bleiben. Irgendwie hat mich dieses Gespräch irritiert und JA, AUCH verletzt . Es kamen alte Erinnerungen hoch. Erinnerungen an meine Mutter, die einen anderen Körperbau hat als ich, und wie ich meine Teenagerzeit erlebt habe. Meine Mutter hatte stets eine Freundin, die wiederum sehr kleinbrüstig war ( wie ich. Ich war damals 15 Jahre alt) und meine Mutter machte sich mir gegenüber lustig über den stark gepolsterten BH der Freundin : „Sie legt ihn quasi um gar nichts herum , um ein wenig Volumen vorzutäuschen, damit die Klamotten besser sitzen.“ Ich „lernte“, dass meine Mutter kleine Brüste bedauerlich und unschön findet. Dass man über sie hinwegtäuscht, weil es ein Manko ist, ein gar-nicht-geher. Das änderte sich erst, als ich in einem Alter war, in dem man die ersten ernsthafteren Beziehungen hatte. Komischerweise hatte keiner meiner Partner ja ein „Problem“ mit meiner kleinen Brust. Beim Ersten war ich noch nervös, ob er „enttäuscht“ wäre ( sowas wurde einem schon damals gerne eingeredet) aber schnell stellte ich fest, dass es auch Männer gibt, die durchaus auch androgyne Frauen attraktiv finden.
Und mein Mann und Vater meiner Kinder, mit dem ich inzwischen seit etlichen Jahren verheiratet bin, fand/findet mich schön, wie ich war/bin, ob mit Schwangerschaftsbauch, großer Milchbrust, oder mit kleiner Brust . Für ihn war das alles nie ein Thema.
.Mit meiner Mutter hatte ich später im Leben noch ein Happening. Als ich erstmals schwanger war, wuchs meine Brust rasant an und ich trug ein Sommerkleid und meine Mutter sagte „Holla, du hast ja endlich mal ein richtiges Dekolleté“- ich war irgendwie sauer. Also falls das ein Kompliment sein sollte….
Ja. So war das alles. Ich dachte, bis zu diesem Vorfall mit meinen Freundinnen, ich sei inzwischen über all die Jahre super selbstbewusst als mehrfach Mama und stünde über allem. Hm, nun beschleicht mich der Gedanke, dass ich ggf. auch vor diesem Vorfall nie ECHT selbstbewusst war, sondern meine unguten Gefühle nur weggeschlossen hatte . Denn plötzlich waren sie ja wieder da, die alten Verletzungen, die Erinnerung an Sprüche damaliger Teenager-Mitschüler, wie: „Hey du, siehst aus wie Schneewittchen, ohne Arsch und ohne Tittchen“. Oder der Umstand, dass ich noch immer ( im 21. Jh!) nicht in einem normalen Klamottenladen Bikinis oder BHs kaufen kann, sondern muss AA im Internet bestellen. Oder, in meinem Erwachsenenalter folgender Umstand: ich musste dienstlich ins Ausland, auf der Dienstreise erst stellte sich heraus, dass ich an einem wichtigen Empfang teilnehmen muss. Abends. Abendkleider /Smoking erwünscht. Gut, ich beugte mich, ging in einen edlen Laden. Das Abendkleid war teuer, saß super in der Teille, im Rücken : bloß vorne nicht. Ich sprach die Verkäuferin verwundert an, wer denn so ein Kleid designed, dass es eine Wespentaille hat aber man geschätzt ein C-D Cup braucht um es oben rum auszufüllen. Ob sie mir nicht auch Kleider mit „normalem“ Schnitt zeigen könne zur Anprobe. Sie schaute mich an und erklärte, die Damen die in diesem Laden verkehren würden nicht nach anderen Kleidern fragen sondern sich die Brüste „machen lassen“. Ja, all das kam mir nach bzw während des Gesprächs mit meinen Freundinnen wieder hoch.
Nun ist meine einzige Tochter in dem „Brüste-wachs-Alter“ und es kommen blöde Kommentare. Und das heute, wo wir gendern , und wo wir doch angeblich alle gott-weiß-was tolerant und aufgeklärt und aufgeschlossen sind. Warum wird Mädchen – noch dazu von anderen Frauen/Mädchen (!!!) – also noch immer eingeredet, sie wären nur schön und begehrenswert , wenn sie möglichst große Körbchen haben?!
Ich wünsche meiner Tochter und allen anderen Mädchen, dass sie – egal wie ihre Brüste sich entwickeln – verstehen und verinnerlichen, dass die auch „bloß ein Körperteil“ sind. Und dass sie sich keinesfalls jemals einreden lassen, groß sei „besser“ als klein , oder sonst irgendeinen Nonsens. Wir leben im 21. Jahrhundert. Gleichgeschlechtliche Ehen sind möglich, wir haben die Möglichkeit zur Geschlechtsumwandlung, wir haben Frauen die Karriere machen ebenso oft wie Männer, die daheim als Hausmann die Kinder umsorgen ... WIE um alles in der WELT kommen immer noch Leute ( SOGAR FRAUEN) dazu, anderen Frauen und Mädchen irgendwie einzureden, die Körbchengröße habe einen großen Stellenwert fürs Frausein.
Wie seht Ihr das? Habt Ihr Ähnliches erlebt? Soll ich meine Freundinnen noch mal auf dieses besagte Gespräch ansprechen? Ich würde mich freuen, wenn Ihr das alles nicht nur gelesen habt, sondern ggf, mit Eurer Sichtweise ergänzt.